Ron Paul: Libertärer Querdenker mischt US-Republikaner auf
Mitt Romney, der Sieger des Iowa-Caucus, ist gefährlich und gefährdet. Gefährlich ist der Ex-Gouverneur von Massachusetts, der den Auftakt des republikanischen Nominierungsrennens in der Nacht auf Mittwoch mit hauchdünnem Vorsprung gewann, für Barack Obama.
Denn der bei aller populistischen Camouflage eher liberale Romney wird jene unabhängigen Wähler in der Mitte umwerben, die der Präsident für seine Wiederwahl am 6. November zwingend benötigt.
Gefährdet ist Romney, weil er eben nur ganz knapp, nämlich mit acht Stimmen, vor dem konservativen Senkrechtstarter Rick Santorum landete. Die beiden Bewerber kamen mit 30.015 beziehungsweise 30.007 Stimmen auf 24,6 und 24,5 Prozent.
Zehn Monate vor der Präsidentschaftswahl steht also (zumindest in Iowa) nur ein Viertel der Partei hinter dem Mann, der seit fast einem Jahr als klarer Favorit gehandelt wird. Und Ron Paul, der libertäre Querdenker aus Texas, konnte als Drittplatzierter mit 21,4 Prozent (26.219 Stimmen) fast ein weiteres Viertel der Stimmen auf sich vereinigen.
„Ich habe Mitt Romney gewählt“, sagt Sean auf der „Afterburn-Party“ der Republikaner kurz vor Mitternacht in einem Hotel in Cedar Rapids (Iowa) neben dem Großbildschirm, auf dem die CNN-Sondersendung zum Iowa-Caucus übertragen wird. Warum gerade Romney? Sean, ein Mittdreißiger aus einer kleinen Gemeinde im Linn County, zögert und zählt auf, was bei Obama alles schlecht sei: die Wirtschaft, zu wenig Jobs, kein Ende der Immobilienkrise, die Gesundheitsreform, die von Republikanern stets als „Obamacare“ geschmäht wird.
Perry nur auf dem fünften Platz
Eine Antwort auf die Frage nach den Vorzügen Romneys ist das nicht. Ja, räumt Sean ein, ihm sei ja Rick Perry, der konservative texanische Gouverneur, eigentlich lieber. Aber dem fehle der Rückhalt, während Romney „wählbar“ sei.
Perry ging in Iowa mit 10,3 Prozent (12.604 Stimmen) als Fünftplatzierter förmlich unter. Dabei hatte er in dem Midwest-Staat eine ehrgeizige Kampagne geführt und rund vier Millionen Dollar – mehr als alle anderen – für Fernsehspots ausgegeben. Er will nun die nächste Runde der Caucuses und Vorwahlen, die Primaries am kommenden Wochenende in New Hampshire, aussetzen und daheim in Austin nachdenken, ob seine Kandidatur noch aussichtsreich sei, sagte Perry.
Das klingt nach dem Anfang vom Ende und einem Rückzug aus dem Bewerberrennen – so wie ihn Michele Bachmann ankündigte, nachdem sie mit desolaten fünf Prozent (6073 Stimmen) auf dem sechsten Platz gelandet war. Im August hatte die konservative Abgeordnete aus Minnesota in Iowa noch die Straw Poll, eine Probeabstimmung, triumphal gewonnen.
Patzer in einer Fernsehdebatte
Kurz nach ihr, im Herbst, hatte Perry das Kandidatenfeld angeführt. Dann aber ließ er sich in Fernsehdebatten vorführen. Zum Verhängnis wurde dem evangelikalen Christen ein Auftritt, bei dem er drei Washingtoner Ministerien aufzählen wollte, die er im Falle seiner Präsidentschaft schließen würde. Leider fielen ihm nur zwei ein. Seit 1972 findet in Iowa der erste Termin im Vorwahlkampf statt. Die Urwahl rückte erstmals 1976 in den Blickpunkt, als der Demokrat Jimmy Carter unerwartet gut abschnitt und später Präsident wurde. Fast kein Kandidat hat seit 1972 die Nominierung seiner Partei gewonnen, ohne in Iowa zumindest Dritter zu werden. Das hat zu dem Spruch "Three tickets out of Iowa" ("Drei Fahrkarten aus Iowa") geführt. An den Urwahlen nehmen durchschnittlich nur sechs Prozent der Wahlberechtigten teil. Bei der Wahl 2008 stieg der Anteil auf 16,1 Prozent. Laut US-Zensusbehörde sind 91 Prozent der drei Millionen Bewohner des Bundesstaates weiß, verglichen mit 72 Prozent in den ganzen USA. Die Arbeitslosenquote beträgt sechs Prozent, verglichen mit 8,6 Prozent landesweit. Quelle: Reuters Newt Gingrich lag sogar noch vor zwei Wochen in bundesweiten Umfragen vorne. Der einstige Sprecher des Repräsentantenhauses und große Gegenspieler von Präsident Bill Clinton kam in Iowa mit 13,3 Prozent (16251 Stimmen) aber nur auf den vierten Platz.
Den siebenten und letzten Platz belegte erwartungsgemäß Jon Huntsman. Zwar konzentriert sich der liberale Ex-Gouverneur von Utah, den Obama als Botschafter nach Peking schickte, auf New Hampshire. Aber 745 Stimmen (0,6 Prozent) bleiben trotzdem zu wenig.
Santorum ist sparsam im Wahlkampf
Auch Santorum hat auf eine Materialschlacht verzichtet. Er gab für TV-Spots in Iowa ganze 30.000 Dollar aus, weniger als alle anderen Kandidaten – macht ziemlich genau einen Dollar Einsatz pro Stimme. Perry hingegen, der für seine vier Million Dollar etwas über 12.600 Stimmen erhielt, musste pro Wähler 350 Dollar investieren. Geld ist ausgesprochen wichtig in US-Wahlkämpfen – aber eben doch nicht Garant des Erfolges. Santorum gewann die Mehrheit in 64 Counties, Romney nur in 17. In 16 Wahldistrikten hatte Paul die Nase vorn. Dass es für Santorum trotzdem nicht reichte, lag an der unterschiedlichen sozialen und demografischen Struktur im Osten und Westen Iowas.
Santorum punktete im ländlichen und dünn besiedelten Westen und in der Mitte des Landes; dort ist Religion besonders wichtig, und evangelikale Christen bestimmen die Debatten der Republikaner. Romney gewann drei Counties rund um die Hauptstadt Des Moines im Herzen Iowas und vor allem bevölkerungsreiche Gebiete im urbanen Osten rund um Cedar Rapids und Davenport.
Iowa ist nicht repräsentativ für die USA
Mehrheiten für Ron Paul gab es ebenfalls hauptsächlich in östlichen Counties mit Hochschulen und Universitäten und jungen, gebildeten Einwohnern.
Mit lediglich drei Millionen Einwohnern und dem geringen Anteil ethnischer Minderheiten ist Iowa nicht repräsentativ für die USA. Darum wird sich Santorums Erfolg in anderen Bundesstaaten kaum wiederholen lassen. In Iowa hatte er in den vergangenen Monaten vor allem die Unterstützung der evangelikalen Christen, die andernorts, etwa in New Hampshire, längst nicht so stark und agil sind.
So war Santorum gerade in der vorigen Woche raketenartig in Iowa aufgestiegen. Bei US-weiten Umfragen stagniert er hingegen bei etwa fünf Prozent.
Immerhin dürften die Anhänger der ausgeschiedenen Bachmann nun mehrheitlich zu Santorum überlaufen. Beide vertreten Positionen der Sozialkonservativen und argumentieren gegen Abtreibung oder Schwulenrechte. Romney, der als Gouverneur nicht nur eine Gesundheitsreform einführte, die Obama als Blaupause für seine Reform bezeichnet, sondern auch in Sachen Abtreibung und Homo-Ehe eher linke Positionen vertrat, gilt diesem Lager als Zumutung.
Santorum könnte es gegen Paul schwer haben
Auch ein Rückzug Perrys käme mutmaßlich Santorum zugute. Doch der siebenfache Familienvater hat in der Öffentlichkeit zu wenig Gewicht gelegt auf seine anderen Politikfelder: Der Katholik ist in Sicherheits- und Verteidigungsfragen engagiert und ein vehementer Verteidiger Israels gegen Bedrohungen aus dem Iran oder Syrien. Zudem vertritt der Jurist konservative fiskalpolitische Positionen und fordert Einsparungen und einen ausgeglichenen Haushalt.
Bei Letzterem ist er allerdings längst nicht so profiliert wie der 76-jährige Paul. Der Arzt aus Texas hat seit Jahrzehnten unablässig vor den Folgen der Staatsverschuldung und der absehbaren Immobilienblase gewarnt. Als Paul vor vier Jahren mit diesen Themen für die Nominierung antrat, wurde er verlacht. Heute, nach der von ihm vorausgesagten Finanzkrise, bestimmt er mit seinen Themen weite Teile der innerrepublikanischen Debatte.
Pauls Chancen bleiben gering
Die Chancen Pauls auf eine Kandidatur fürs Weiße Haus auf Republikaner-Ticket bleiben gering. Sein außenpolitischer Isolationismus, seine Forderungen nach radikalen Kürzungen des Pentagon-Etats und einem sofortigen Truppenabzug aus Afghanistan, Japan, Korea und Deutschland widerspricht den Vorstellungen der Partei von Sicherheit und amerikanischer Weltmachtstellung.
Nicht auszuschließen bleibt indes, dass Paul im November als unabhängiger Kandidat antritt. Er selbst lässt entsprechende Fragen im Kern unbeantwortet, und aus seinem Lager kommt diese Forderung mit großer Lautstärke.
Viele Ron-Paul-Wahlhelfer waren, so ist immer wieder zu hören, 2008 noch für Obama tätig. Sie hofften damals auf einen radikalen Wandel und sie tun dies auch diesmal. Eine Präsidentschaft Romneys, so ihre Lesart, würde am Washingtoner Status quo nichts ändern.
Wenig Euphorie bei den Republikanern
Doch auch Romney kann über den Ausgang der Vorwahl von Iowa nur begrenzt glücklich sein. Als er vor vier Jahren in Iowa antrat, gingen 120.000 Republikaner zum Caucus und verwiesen ihn auf den zweiten Platz hinter Mike Huckabee, den bald in der Versenkung verschwundenen Kandidaten der Religiösen.
Romney sammelte damals, zur Zeit des großen Katers nach den Bush-Jahren, von 120.000 Caucus-Teilnehmern etwa 30.000 Stimmen an. Beide Werte wiederholten sich vier Jahre später nahezu unverändert. Nach Euphorie und Aufbruchstimmung unter den Republikanern klingt das im Jahre vier nach Obamas Wahlsieg nicht.
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Kategorie: Meine Artikel | Hinzugefügt von: semenivanov88 (05.01.2012)
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