Reporter Hoare tot: Murdochs Ankläger – drogenabhängiger und mutiger Held
Mit einer Zigarette in der Hand lächelt der Enthüllungsjournalist Sean Hoare am Dienstag von den Titelseiten der britischen Medien. Die Zeitungen nennen ihn den „Ankläger“, den er war es, der bereits im vergangenen Jahr öffentlich über die dubiosen Praktiken in den Redaktionen der Boulevardzeitungen des Murdoch-Konzerns auspackte. Für dieses Video wurde kein passender Videoplayer gefunden. Zum abspielen dieses Videos benötigen Sie einen aktuellen Adobe© Flash Player.
Mitten im Abhörskandal um die eingestellte Zeitung „News of the World“, bei der Hoare früher selbst gearbeitet hat, wurde der Reporter nun tot in seiner Wohnung aufgefunden. Die Umstände seines Todes sind noch unklar – die Polizei beeilte sich aber zu versichern, dass sie „nicht verdächtig“ erscheinen.
Hoare war jahrelang Teil des Apparats
Stets auf der Suche nach der exklusiven Sensationsgeschichte war Hoare jahrelang Teil des Apparats, in dem fragwürdige und illegale Recherchemethoden offenbar zur Tagesordnung gehörten. Für die "News of the World" berichtete Hoare als Reporter für das Showbusiness aus der Londoner Partyszene.
Kollegen und Medienberichten zufolge soll er drogen- und alkoholabhängig gewesen sein – 2005 wurde er deshalb von seiner Zeitung gefeuert.
Fünf Jahre später brachte er als erster den früheren Chefredakteur des Blattes und späteren Kommunikationschef von Premierminister David Cameron, Andy Coulson, in Verruf. Dieser habe sehr wohl von den Abhörpraktiken gewusst, sagte er der „New York Times“ und der BBC. „Das Gegenteil zu behaupten, ist eine glatte Lüge.“
Scotland Yard ging den Vorwürfen Hoares zwar nach, dieser habe bei der Polizei aber nicht aussagen und keine Beweise liefern wollen, sagten die Ermittler damals. Inzwischen hat die Polizei ihre Strategie geändert: Coulson wurde vor gut knapp zwei Wochen vorübergehend festgenommen und von der Polizei verhört.
"Die Leute hatten einfach Angst"
Im März dieses Jahres legte Hoare nach. Andauernd sei das passiert, sagte er dem britischen Sender BBC zum Abhören von Telefonen. „Die Leute hatten einfach Angst. Wenn es eine Story gibt, musst Du sie kriegen. Und zwar egal mit welchen Mitteln. Das ist die Kultur bei News International.“ News International ist der britische Ableger von News Corp, dem Medienimperium von Rupert Murdoch. Zu dem Verlag gehört auch die „Sun“, bei der Hoare ebenfalls arbeitete. In fast 60 Jahren hat Rupert Murdoch seine News Corporation zu einer der größten Mediengruppen der Welt aufgebaut. Mit mehr als 50.000 Beschäftigten erwirtschaftet der Konzern rund 33 Milliarden Dollar Umsatz pro Jahr. Zu News Corp. zählen unter anderem Fernsehstudios in den USA, australische Lokalzeitungen, Buchverlage in Asien und der Pay-TV-Sender Sky Deutschland. Mit einem Nettogewinn von mehr als 2,5 Milliarden Dollar ließ die Gruppe im vergangenen Jahr die Wirtschaftskrise hinter sich. Im Vorjahr hatte der Verlust der News-Corp.-Gesellschaften mehr als drei Milliarden Dollar betragen. Schwerpunkt des Geschäfts sind die Sparten Film und Kabelfernsehen, die zusammen 44 Prozent des Umsatzes und mehr als 90 Prozent des operativen Gewinns ausmachen. Mit seinen mehr als 170 Zeitungen und Zeitschriften erwirtschaftet Murdoch sechs Milliarden Dollar Umsatz. Zu seinen Titeln zählen Traditionsblätter wie die „Times", das „Wall Street Journal" und die „New York Post". Begonnen hat Rupert Murdoch seine Verlegerkarriere im Jahr 1952, als er von seinem Vater die Zeitung „Adelaide News" und eine Beteiligung an der ebenfalls im australischen Adelaide erscheinenden „Sunday Mail" erbte. Im folgenden Jahrzehnt kaufte er in seiner Heimatstadt einen Radiosender, gründete einen lokalen Fernsehsender und weitete sein Mediengeschäft auf die Großstadt Sydney aus. Im Jahr 1969 stieg Murdoch mit dem Kauf der jetzt eingestellten „News of the World" und der „Sun" in den britischen Zeitungsmarkt ein. 1973 stieg er in den US-Zeitungsmarkt ein; nach drei Jahren übernahm er die „New York Post". In den 70er-Jahren zog Murdoch privat in die USA, seit 1985 ist er US-Bürger. In Großbritannien kaufte der Medienunternehmer 1981 die „Times" und die „Sunday Times", ein Jahr später übernahm er das europäische „Satellite Television", den späteren „Sky Channel". Ein wichtiger Meilenstein war 1985 der Einstieg ins Filmgeschäft bei „20th Century Fox". Mit diesem Kauf erwarb er auch die Rechte am Namen „Fox", unter dem die meisten seiner Kabelfernsehsender heute firmieren. Die Satellitenkanäle laufen unter der Marke „Sky". Im vergangenen Februar startete Murdochs Gruppe die erste reine iPad-Zeitung „The Daily".
Erst vor einer Woche erzählte der 47-Jährige in der „New York Times“ dann erneut von den Machenschaften in den Boulevardredaktionen und erschütterte damit auch den Glauben vieler Briten an die Polizei: So sollen Journalisten Beamte für Informationen aus laufenden Ermittlungen bezahlt und außerdem illegal über Telefonsignale Menschen geortet haben.
Die zwei Seiten des Enthüllungsjournalisten
Und so bleibt das Bild eines Menschen, dem einerseits Drogen und Alkohol zu schaffen machten, zuletzt soll er sogar paranoide Züge gezeigt haben. „Hoare dachte, dass jemand hinter ihm her ist und ihn holen wird“, zitierte der „Daily Mirror“ einen Nachbarn, der anonym bleiben wollte. „Die Drogen und der Alkohol haben ihn zerstört und wir haben ihn untergehen sehen. Das war sehr traurig“, schrieb ein Kollege vom „Guardian“, der die jüngste Abhöraffäre ins Rollen gebracht hatte.
Dem "Guardian" hatte Hoare vor seinem Tod erzählt, wie er täglich drei Gramm Kokain und Unmengen Alkohol konsumierte, um im Leben von Rockstars mitzuhalten. Sein Arzt habe sich schon vor Wochen gewundert, dass er überhaupt noch am Leben sei, sagte er der Zeitung.
Andererseits ist da der mutige Journalist, der die Praktiken auf den Tisch packte und so zur kritischen Beschäftigung der Bevölkerung mit der Boulevardpresse beitrug. Er sei ein „netter Typ“ gewesen, schrieb sein Kollege weiter, „immer hilfsbereit“. David Yelland, ein früherer Herausgeber der „Sun“, twitterte nach Hoares Tod: „Sean Hoare hat versucht, ehrlich zu sein. Er kämpfte mit seiner Abhängigkeit. Aber er war ein guter Kerl.“
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Kategorie: Meine Artikel | Hinzugefügt von: semenivanov88 (19.07.2011)
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