Meinung | Schuldenstaaten: Politikern gleitet die Euro-Krise aus den Händen
Das Land muss mit stetig wachsenden Schulden fertig werden: Im vergangenen
Jahr ging Athen von einem Defizit von etwa 9,4 Prozent der
Wirtschaftsleistung aus. Nach neuesten Erhebungen werden es aber 10,6
Prozent werden. Athen muss Schätzungen zufolge bis 2015 mehr als 25
Milliarden zusätzlich sparen.
Vor diesem Hintergrund machen fast täglich Gerüchte die Runde, es führe kein
Weg daran vorbei, dass Athen bald gezwungen sein werde, in enger Kooperation
mit der EU über eine Umschuldung zu sprechen. Die Regierung dementiert dies
immer wieder. Außerdem galoppiert die Arbeitslosigkeit: von etwa zehn
Prozent vor 15 Monaten auf knapp 15 Prozent. Die Wirtschaft schrumpfte im
vergangenen Jahr um vier Prozent.
In Italien konnte die Wirtschaftsleistung 2010 nach dem Krisenjahr 2009 ein
Wachstum von 1,3 Prozent verzeichnen. Für das laufende Jahr rechnen Ökonomen
mit 1,1 Prozent. Wiederholt beklagte der Industrieverband „die Krankheit des
langsamen Wachstums“.
Gegen die hohe Staatsverschuldung, die im Oktober auf die Rekordhöhe von 1867,4
Milliarden Euro stieg, verabschiedete die Regierung Ende 2010 ein
24-Milliarden-Euro-Sparpaket. Die Arbeitslosenquote lag bei etwa 8,6
Prozent, bei einer besonders hohen Jugendarbeitslosigkeit von 21,7 Prozent.
Die Arbeitslosigkeit hält sich seit mehreren Monaten auf dem Rekordniveau von
knapp mehr als elf Prozent. Trotz drastischer Sparmaßnahmen stieg das
Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2010 um 1,4 Prozent. Im letzten Quartal 2010
schrumpfte die Wirtschaft aber im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,3
Prozent. Für 2011 rechnet die Notenbank in Lissabon mit einem
Konjunkturrückgang um mindestens 1,3 bis 1,5 Prozent.
Die Gesamtschulden des ärmsten Landes Westeuropas wuchsen auf 92,4 Prozent des
BIP an, weil Portugal das Sparziel für 2010 deutlich verpasste. Anstatt des
angepeilten Defizits von 7,3 Prozent der Wirtschaftsleitung fiel ein
Fehlbetrag von 8,6 Prozent an.
In letzter Zeit konnte sich Madrid von den anderen Krisenländern distanzieren.
Die Risikoaufschläge für Staatsanleihen gingen seit Jahresbeginn um 30
Prozent zurück. Madrid will das Haushaltsdefizit in diesem Jahr von 9,2
(2010) auf 6,0 Prozent des BIP senken.
Das Wachstum kommt allerdings nur langsam in Schwung. 2010 war die spanische
Wirtschaft um 0,1 Prozent geschrumpft, für 2011 erwartet die Regierung ein
Wachstum von 1,3 Prozent. Das große Problem ist die Arbeitslosigkeit, die
mit einer Quote von über 20 Prozent die höchste in der EU ist. Madrid musste
einräumen, dass sich daran in nächster Zeit nur wenig ändern werde.
Das Staatsdefizit in Irland lag im vergangenen Jahr bei rekordverdächtigen 32
Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Allein in den ersten drei Monaten 2011
wuchs ein Defizit von 7,1 Milliarden Euro an – bei 7,5 Milliarden Euro
Steuereinnahmen. Das Geld wurde vor allem für Finanzspritzen an die Banken
verwendet.
Die Wirtschaft schrumpfte im Jahr 2010 um ein Prozent. Hier präsentiert sich
ein differenziertes Bild: Während die Binnennachfrage einbrach, glich das
stabile Wachstum beim Export dies im wesentlichen wieder aus. Die
Gesamtverschuldung liegt bei etwa 100 Prozent des BIP in Höhe von 164
Milliarden Euro im Jahr 2010. Die Arbeitslosigkeit erreichte im März 14,7
Prozent. Reuters
Was immer Europas Politiker bislang gegen die Euro-Krise unternahmen, es blieb so gut wie wirkungslos. Erst vor einem Monat beschlossen die Staats- und Regierungschefs eine Aufstockung des Rettungsfonds. Damit verbanden sie die Hoffnung, die Märkte zu beruhigen und den hochverschuldeten Ländern Griechenland, Irland und Portugal ein wenig Luft zu verschaffen.
Doch das Gegenteil trat ein. Die Risikoaufschläge für Staatsanleihen aus Griechenland und Portugal sind seither noch einmal kräftig gestiegen. Die Rendite zweijähriger griechischer Staatsanleihen übersprang erstmals seit Gründung der Währungsunion die Marke von 25 Prozent.
Die nun vom europäischen Statistikamt veröffentlichen Haushaltszahlen werden diese Entwicklung wohl noch einmal verstärken. Denn danach lag das griechische Haushaltsdefizit Ende 2010 nicht, wie erwartet, bei 9,4 Prozent, sondern bei 10,5 Prozent. Auch Portugal schnitt mit einem Defizit von 9,1 Prozent fast zwei Prozentpunkte schlechter als erwartet ab.
Weichen für dauerhafte Alimentation gestellt
Unter dem Strich heißt das, der Politik gelang es bislang nicht, die Krise auch nur einzudämmen. Ein beängstigender Eindruck. Denn mit jedem Tag scheint sich die Lage weiter zuzuspitzen. Die aktuelle Schuldenquote der Länder des Euro-Raumes... Belgien Defizitquote in Prozent des BIP: 4,1 Schuldenstand des Staates in Prozent des BIP: 96,8 Deutschland Defizitquote in Prozent des BIP: 3,3 Schuldenstand des Staates in Prozent des BIP: 83,2 Estland Defizitquote in Prozent des BIP: 0,1 Schuldenstand des Staates in Prozent des BIP: 6,6 Finnland Defizitquote in Prozent des BIP: 2,5 Schuldenstand des Staates in Prozent des BIP: 48,4 Frankreich Defizitquote in Prozent des BIP: 7 Schuldenstand des Staates in Prozent des BIP: 81,7 Griechenland Defizitquote in Prozent des BIP: 10,5 Schuldenstand des Staates in Prozent des BIP: 142,8 Irland Defizitquote in Prozent des BIP: 32,4 Schuldenstand des Staates in Prozent des BIP: 96,2 Italien Defizitquote in Prozent des BIP: 4,6 Schuldenstand des Staates in Prozent des BIP: 119 Luxemburg Defizitquote in Prozent des BIP: 1,7 Schuldenstand des Staates in Prozent des BIP: 18,4 Malta Defizitquote in Prozent des BIP: 3,6 Schuldenstand des Staates in Prozent des BIP: 68 Österreich Defizitquote in Prozent des BIP: 4,6 Schuldenstand des Staates in Prozent des BIP: 72,3 Niederlande Defizitquote in Prozent des BIP: 5,4 Schuldenstand des Staates in Prozent des BIP: 62,7 Portugal Defizitquote in Prozent des BIP: 9,1 Schuldenstand des Staates in Prozent des BIP: 93 Slowakei Defizitquote in Prozent des BIP: 7,9 Schuldenstand des Staates in Prozent des BIP: 41 Slowenien Defizitquote in Prozent des BIP: 5,6 Schuldenstand des Staates in Prozent des BIP: 38 Spanien Defizitquote in Prozent des BIP: 9,2 Schuldenstand des Staates in Prozent des BIP: 60,1 Zypern Defizitquote in Prozent des BIP: 5,3 Schuldenstand des Staates in Prozent des BIP: 60,8 Euroraum insgesamt Defizitquote in Prozent des BIP: 6 Schuldenstand des Staates in Prozent des BIP: 85,1 EU insgesamt Defizitquote in Prozent des BIP: 6,4 80 Quelle: Eurostat, Stand 26. April 2011 In den betroffenen Ländern werden harte Sparpakete aufgelegt, in der Hoffnung, damit dauerhaft die Einnahmen der Staaten zu erhöhen. Doch diese Politik führt nur noch tiefer in die Katastrophe. Die steigenden Steuern und Abgaben schwächen die ohnehin geringe Wirtschaftskraft der hochverschuldeten Länder nämlich zusätzlich. In der Folge werden die Staaten noch weniger Geld einnehmen und letztlich vollends am Tropf der EU hängen.
Die Weichen für eine dauerhafte Alimentation sind bereits gestellt. Mit ihren Beschlüssen haben die Staats- und Regierungschefs de facto die sogenannte Transferunion – auch wenn sie diesen Begriff nicht zulassen wollen - auf den Weg gebracht, in der die starken Länder für die schwachen Länder zahlen.
Deutschland ist Europas größter Geldgeber
Für Deutschland sieht das so aus: In das Ende März beschlossene und ab 2013 wirksam werdende Rettungspaket ESM zahlt die Bundesrepublik rund 21,7 Milliarden Euro in bar. Weitere 168,3 Milliarden Euro übernimmt sie an Garantien. Damit ist Deutschland Europas größter Gläubiger.
In der deutschen Bevölkerung gibt es bereits heute große Vorbehalte gegen diese Politik. Die Furcht ist groß, das Land könne mit der Euro-Rettung letztlich überfordert sein. Dieser Sorge halten Bundesregierung und Oppositionsparteien entgegen, die Hilfe für die notleidenden Staaten sei unumgänglich.
In Finnland hat sich die Skepsis der Menschen bereits zu politischen Konsequenzen geführt. Dort gewann die populistische Partei „Wahre Finnen“ bei den jüngsten Parlamentswahlen 19 Prozent der Stimmen und wurde damit drittstärkste Partei. Die Nationalisten wollen die Pläne der EU zur Rettung des Euro stoppen.
Ideenlosigkeit europäischer Führungskräfte
Diese Haltung findet auch in Deutschland und anderen EU-Ländern viel Sympathie. Denn je mehr Zeit vergeht, desto tiefer rutscht die EU in die Schuldenkrise. Es ist längst ein offenes Geheimnis, dass die Griechen ihre Schulden wohl nicht mehr zurückzahlen können. Portugal droht ein ähnliches Schicksal. Auch die Iren sind pleite. Spanien wackelt bereits kräftig.
Aber wo ist die Idee für eine Wirtschaftspolitik, die in den notleidenden Ländern wieder Wachstum und Wohlstand schafft und die Zahlerländer langfristig entlastet?
Weder die Europäische Zentralbank noch die EU-Kommission oder all die Staats- und Regierungschefs haben auf diese Frage eine Antwort. Bald ist es nicht mehr nicht mehr zu leugnen, dass sie alle der europäischen Schuldenkrise im Grunde machtlos gegenüberstehen. Armes Europa.
Bei den Einnahmen des Staates liegt Griechenland, wie Deutschland, über dem
Durchschnitt der Industrieländer: 2011, so eine gerade veröffentlichte
Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF), dürfte der griechische
Staat 39,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für sich beanspruchen.
Deutschland kommt auf 41,8 Prozent, die Industrieländer im Schnitt auf 35,8
Prozent.
Bei den Ausgaben ist die Kluft deutlich größer: In den Industrieländern
insgesamt liegen sie in diesem Jahr voraussichtlich bei 42,5 Prozent der
Wirtschaftsleistung. In Deutschland dürften sie 46,9 Prozent betragen, in
Griechenland dagegen 53,2 Prozent. Damit leisten sich die Regierenden in
Griechenland ein Ausgabenniveau, das sonst eher typisch ist für Länder, die,
wie etwa Schweden, auch über außerordentlich hohe Einnahmen verfügen.
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Kategorie: Meine Artikel | Hinzugefügt von: semenivanov88 (27.04.2011)
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