Deutscher Meister Dortmund: Ausnahmezustand im schwarz-gelben Tollhaus
Die offizielle Party der Stadt Dortmund soll in zwei Wochen steigen, auch die Meisterschale wird erst dann überreicht. Aber wen interessierte das? Als um 17.18 Uhr die Partie zwischen Borussia Dortmund und dem 1. FC Nürnberg abgepfiffen wurde, brachen im schwarz-gelben Tollhaus alle Dämme. Die Spieler rannten aufeinander zu, manche weinten vor Glück, dann tränkten sie sich gegenseitig in Bier, kletterten aufs Tor. Einer der großen deutschen Klubs hat sich zurückgemeldet.
Borussia Dortmund ist zum siebten Mal Deutscher Meister, nach 1956, 1957, 1963, 1995, 1996 und 2002. Mit einem 2:0, dem 22. Saisonsieg, einem Vereinsrekord, brachte der BVB einen Titel unter Dach und Fach, an dessen Berechtigung nach einem Spieljahr voller begeisterndem Offensivfußball keine Zweifel bestehen. Während aus dem gesamten Land die Glückwünsche eintrudelten, sagte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke: „Ich kann das noch gar nicht richtig begreifen. Die Mannschaft hat diese Saison noch einmal einen Riesenschub bekommen. Ich bin völlig glücklich.“
Er war natürlich nicht der Einzige. „Ich bin einfach glücklich“, bestätigte Trainer Jürgen Klopp, der Meistermacher. Auch er geduscht in Bier und umarmt von seiner Frau Ulla. Ansonsten untersuchte er nach seinem ersten Titelgewinn noch die eigene Gefühlslage: „Ich dachte, es wäre euphorischer, aber das kommt vielleicht noch.“
Klopp, sonst so ein Ausbund an Leidenschaft, hielt sich dezent im Hintergrund. Und gab alle Komplimente an seine Spieler weiter. „Was die Jungs geleistet haben, ist nicht in Worte zu fassen.“ Ob die spektakulären Siege in München und Leverkusen oder die heimlichen Schlüsselspiele wie der späte Auswärtssieg in Freiburg oder der Ausgleich beim HSV vor drei Wochen in der Schlussminute – an jedem der bisher 32 Spieltage sei ihnen alles abverlangt worden. „Wir mussten jede Woche über uns hinauswachsen. 32 Mal über sich hinaus zu wachsen – das ist Wahnsinn.“
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Auf dem Platz gab es derweil kein Halten mehr, und bald war auch ein Rasierer mit von der Partie. Jetzt war Kevin Großkreutz fällig. Beim Titelgewinn kommt sein Haar ab, hatte der Angreifer und Ur-Dortmunder vor Monaten gewettet, und es so lange wachsen lassen. Felipe Santana machte sich gleich an die Arbeit – das erste Ergebnis erinnerte freilich eher an Riff Raff aus der "Rocky Horror Picture Show": vorne alles ab, hinten weiter lang.
Ein paar Meter weiter wurde es geradezu besinnlich. Dede, der einzige Aktive, der den letzten Titel noch miterlebt hatte, rang um Worte, als er Fans und Mitspieler dankte. Nach 13 Jahren im Verein wird er den BVB am Saisonende verlassen, er kam zuletzt kaum noch zum Zug, aber gerade die Spieler aus der eigenen Jugend wie Großkreutz oder Mario Götze, bezeichneten ihn immer wieder als große Inspiration. Dede, der während und nach der Beinahe-Pleite des Klubs 2005 auch andere Zeiten miterlebt hat, sagte: „Wir haben so viele Probleme gehabt, jetzt sind wir wieder hier. Das ist eine geile Sache.“
Schon vor Beginn der Partie hatten seine Mitspieler dem Brasilianer ihren Tribut gezollt. Die komplette Dortmunder Mannschaft lief sich in speziellen T-Shirts warm. „Danke für 13 Jahre echte Liebe“, stand darauf, hinten war Dedes Nummer gedruckt, die 17. Die Ehrerbietung an den Linksverteidiger hatte einen angenehmen Nebeneffekt – sie lenkte von dem eigentlichen Thema ab: Denn natürlich war der eine oder andere auch ein bisschen nervös, wie das kurz vor einer Meisterschaft eben so ist.
Doch nach zähem Beginn überbrachte Lucas Barrios in der 27. Minute eine unmissverständliche Kunde der Dortmunder Entschlossenheit, als er nach einem Pass in die Gasse so energisch dem Ball hinterher jagte, dass er Raphael Schäfer dabei am Kopf traf. Nürnbergs Torwart musste behandelt werden, Barrios sah Gelb, und fünf Minuten später sollten sich beide wieder sehen – mit dem besseren Ende für den BVB-Angreifer. Nach einer Karambolage landete der Ball über diverse Nürnberger Verteidiger bei Götze, dessen Schuss zwar Schäfer parieren konnte, aber nach vorne prallen ließ – genau vor den Fuß von Barrios. Der Argentino-Paraguayer, bester Schütze der Meistermannschaft, schob ein zu seinem 14. Saisontor. Theo Zwanziger (DFB-Präsident):
„Im Namen des DFB gratuliere ich Borussia Dortmund zur siebten Meisterschaft. Die Mannschaft hat eine beeindruckende Saison und über weitere Strecken modernen und schönen Fußball gespielt und ist hochverdient deutscher Meister geworden. Neben der Gratulation an das Team, Trainer Jürgen Klopp und die tollen Fans geht ein besonderer Glückwunsch auch an Wolfgang Watzke und meinen Freund Reinhard Rauball, die den Verein vor einigen Jahren in einer sehr bedrohlichen Situation übernommen haben. Dieser Titel ist der vorläufige Höhepunkt ihrer Arbeit." Joachim Löw (Bundestrainer):
„Die Dortmunder haben sich den Titelgewinn echt verdient. Über die ganze Saison war der BVB das konstanteste Team, das in vielen Begegnungen attraktiven Fußball geboten und gleichzeitig immer taktisch sehr diszipliniert agiert hat. Ein besonderes Kompliment gilt meinen Kollegen Jürgen Klopp, der großen Anteil an der Meisterschaft hat. Mit sachlicher und innovativer Arbeit hat er aus dem Kader das Optimale herausgeholt. Es freut mich für ihn und den Verein, dass sich der Mut ausgezahlt hat, auf viele junge Spieler zu setzen. Dieses Vertrauen wurde von Hoffnungsträgern wie Mats Hummels oder Mario Götze eindrucksvoll belohnt." Bundespräsident Christian Wulff:
„Ich gratuliere von Herzen Borussia Dortmund zum Gewinn der deutschen Fußball-Meisterschaft. Borussia Dortmund ist eine faszinierende und sympathische Mannschaft, die zweifelsfrei in dieser Saison als erfolgreichstes Team gespielt hat. Ein wunderbares Aushängeschild des deutschen Fußballs auf internationaler Bühne." Oliver Bierhoff (Nationalmannschaftsmanager):
„Der BVB und seine Fans haben viele Gründe zum Jubeln und Feiern. Das junge Team spielt beherzten und erfrischenden Fußball, der überall Anerkennung gefunden hat. Wer mit einem solch klaren Vorsprung an der Tabellenspitze der Bundesliga steht, hat alles richtig gemacht in dieser Saison. Und der Blick in die Zukunft kann die Borussen-Verantwortlichen ebenfalls optimistisch stimmen. Die Dortmunder haben eine Mannschaft mit guten Perspektiven, auch international. Was hier in jüngster Vergangenheit aufgebaut und geleistet wurde, ist beachtlich." Trainer Jürgen Klopp (Borussia Dortmund):
„Ich bin einfach glücklich. Ich habe aber gedacht, es fühlt sich anders an, noch euphorischer, ab das kommt vielleicht noch. Die Mannschaft hat Außergewöhnliches geleistet, Maßstäbe gesetzt, ist mit jeder Drucksituation unglaublich gut umgegangen. Was die Jungs geleistet haben, das ist nicht in Worte zu fassen. Wie sie unsere Vorgaben umgesetzt haben, ist der Wahnsinn. Ich kann doch erzählen, was ich will, wenn die Jungs das nicht umsetzten, stehe ich da wir ein Ochse." Reinhard Rauball (Präsident Borussia Dortmund):
„Jetzt ist Dortmund zwei Wochen im Ausnahmezustand. Wer am drittletzten Spieltag uneinholbar oben steht, hat es auch verdient. Das ist in der Nähe eines Märchens." Sportdirektor Michael Zorc (Borussia Dortmund):
„Das ist einer der schönsten Tage. Darauf haben wir sehr lange gewartet. Ich freue mich vor allem für die Jungs und das Trainerteam." Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke (Borussia Dortmund):
„Ich kann das alles noch gar nicht richtig begreifen. Das ist ein ganz wunderbares Gefühl, und ich glaube, dass der Klub das verdient hat. Wir haben uns zwei Jahre lang weiterentwickelt, aber in diesem Jahr haben wir noch einen unglaublichen Schub bekommen." Dede (Borussia Dortmund):
„Wir haben es einfach verdient. Das ist eine geile Sache." Kevin Großkreutz (Borussia Dortmund):
„Jetzt bin ich, jetzt sind wir deutscher Meister. Das kann ich gar nicht beschreiben. Das haben wir verdient, weil wir eine richtig geile Saison gespielt haben." Franz Beckenbauer:
„Herzlichen Glückwunsch! Die Dortmunder waren vom zweiten Spieltag an dominierend und sind völlig verdient deutscher Meister geworden." Karl-Heinz Rummenigge (Vorstandsvorsitzender Bayern München):
„Borussia Dortmund hat eine fantastische Saison gespielt. Ich wünsche einen großartigen Abend. Dortmund ist ein würdiger Nachfolger von Bayern München geworden." Trainer Michael Oenning (Hamburger SV):
„Wer drei Spiele vor Schluss den Titel holt ist verdient Meister geworden. Dortmund hat über die Saison gesehen den attraktivsten und besten Fußball gespielt." Trainer Robin Dutt (SC Freiburg):
„Das war eine tolle Saison von Dortmund. Mein Glückwunsch geht an Jürgen Klopp und seine Mannschaft." Trainer Jupp Heynckes (Bayer Leverkusen):
„Glückwunsch an den BVB. Borussia Dortmund ist verdient deutscher Meister geworden. Sie haben über weiter Strecken der Saison außergewöhnlich guten Fußball gezeigt, nicht nur in der Vorwärts-, sondern auch in der Rückwärtsbewegung. Das betone ich ganz bewusst. Ich war von der Dortmunder Spielweise die gesamte Saison angetan. Der Verein, die Mannschaft, der Trainer und die Fans können zurecht stolz sein." Michael Ballack (Bayer Leverkusen):
„Kompliment und Gratulation an Borussia Dortmund – die haben eine außergewöhnliche Saison gespielt. Sie sind kaum in die Bredouille gekommen. Es gab selten eine Meisterschaft, die so dominant war." (Michael Ballack von Bayer Leverkusen) Rene Adler (Bayer Leverkusen):
„Wenn man über eine ganze Saison so stabil spielt, wie Borussia Dortmund, dann ist man absolut verdient deutscher Meister. Dazu meinen herzlichen Glückwunsch an den BVB." Sportchef Rudi Völler (Bayer Leverkusen):
„Gratulation an Borussia Dortmund. Wir hätten sie gerne noch ein bisschen geärgert und die Spannung im Meisterrennen hoch gehalten. Aber Dortmund ist ein verdienter Meister, sie waren die beste Mannschaft der Saison." Harald Strutz (Präsident des FSV Mainz 05):
„Heute haben wir doppelten Grund zum Feiern. Dass Kloppo deutscher Meister geworden ist, ist natürlich auch für uns eine tolle Sache. Er ist in Mainz groß geworden und wird diesen Verein nie vergessen. Das ist alles eine gewachsene Verbindung, es spielen ja auch vier ehemalige Mainzer beim BVB. Da muss man sich fragen, ob das alles Zufall ist. Kloppo und die Dortmunder Mannschaft haben sich diesen Titel verdient."
Interimstrainer Volker Finke (1. FC Köln):
„Ich gratuliere Borussia Dortmund. Man muss sehen, wo der Verein wirtschaftlich vor einigen Jahren stand. Dann ist aber sehr gut gearbeitet worden, und das auf allen Ebenen. Deshalb freue ich mich über eine solch konzeptionellen Erfolg."
Trainer Bruno Labbadia (VfB Stuttgart):
„Kloppo find ich geil. Ich freue mich total für ihn. Dortmund ist ein Meister, der es absolut verdient hat. Die Dortmunder haben atemberaubenden Fußball gespielt." Sportdirektor Fredi Bobic (VfB Stuttgart):
„Der BVB hat es absolut verdient. Sie waren die spielerisch beste Mannschaft in dieser Saison. Ich kann mir vorstellen, dass heute in Dortmund der Bär tanzt."
16.03 Uhr, zwischen Köln und Leverkusen stand es 0:0. Erstmals war der BVB virtuell Deutscher Meister.
Die Mannschaft agierte nun befreiter, wobei sie entgegen häufiger Gewohnheit weniger spielerisch als durch Wucht zum 2:0 kam. 43. Minute, langer Ball aus der Verteidigung von Mats Hummels, entschlossener Einsatz von Robert Lewandowski im Luftkampf – und plötzlich stand der Pole allein vor Schäfer, der nur zögerlich aus seinem Tor kam und von Lewandowski überlupft wurde. Das Stadion tanzte und hüpfte. „Deutscher Meister wird nur der BVB“ – was in den letzten Wochen erst eine Hoffnung war, dann Glaube, wurde endlich zur Gewissheit. Spätestens, als um 16.54 Uhr der beliebte Stadionsprecher Norbert Dickel in schlichter Diktion verkündete: „Einsnull Köln“.
Eine Viertelstunde später stand es am Rhein dann gar 2:0.Großkreutz fasste sich ungläubig an den Kopf, auf den Rängen wurden bengalische Feuer gezündet, und Klopp versuchte an der Seitenlinie irgendwie, die Konzentration aufrechtzuerhalten. In der 89. Minute dann der lang erwartete Wechsel: Klopp, und mit ihm das ganze Stadion klatschte Beifall, als er Dede ins Spiel brachte und Großkreutz herausnahm. Die letzte Minute brachte sogar noch eine Torchance für Dede. Dann war es vorbei.
Während Mannschaft und Vereinsführung am Abend bei ihrem Stammitaliener feierten, kamen in der Stadt selbst die Autokorsos nicht mehr vom Fleck. Vor allem die Gegend um den Borsigplatz, wo der Klub vor 102 Jahren gegründet wurde, war völlig verstopft. BVB-Präsident Reinhard Rauball, der seine fußballverrückte Stadt kennt, kündigte an: „Dortmund ist ab jetzt zwei Wochen im Ausnahmezustand.“
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Kategorie: Meine Artikel | Hinzugefügt von: semenivanov88 (01.05.2011)
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